C Ultramatitolit

Alpinotypischer Ultramafitit

C1 Fundorte

Als blassgrüne oder ockerfarbige Steine sind die Ultramafitolite oder alpinotypen Ultramafitite erkennbar. Wo waren meine Fundorte?

In Locarno mündet die Maggia in das Lago Maggiore. Verfolgen Sie den Fluss aufwärts, dann gabelt sich dieser bei Ponte Brolla. Die Maggia geht nördlich weiter ins Maggiatal, nach links (nach Westen) strömt die Melezza aus dem Centovalli. Bei Golino im Flussbett der Melezza wie im Maggiadelta bei Locarno fand ich viele Ultramafitolite.


C2 Benennung

Dieses Gestein wurde auf meiner geologischen Karte der Schweiz (1972) noch Ultrabasit genannt. Die Bezeichnung «ultrabasisch» wird auch heute in der Geologie verwendet, aber der Name Ultrabasit wurde in den 70er Jahren in alpinotype Ultramafitit umbenannt.

The British Geological Service (Rock Classification Scheme) benannte dieses Gestein 1999 nochmals anders. Da der Name Ultramafitit für Vulkanite verwendet wird, kann er nicht für das Gestein aus der Gegend von Locarno verwendet werden. Deshalb wurde das Gestein jetzt Ultramafitolit genannt. In vielen Büchern wird dieses Gestein synonym als alpinotypischer Ultramafitit bezeichnet.

Für mich ist die Nomenklatur oft irreführend, weil der Steinhandel wie der Handel mit Heilsteinen vielfach noch andere Namen verwenden.

C3 Bestandteile des Ultramafitolits

Albert Streckeisen (1901-1998) war ein Petrograph. Er hat alle magmatischen Gesteine klassifiziert und in grossen Diagrammen dargestellt. Der Oberbegriff eines Gesteins ordnete er einem Feld zu. In das Feld fügte er die Unterbegriffe dieses Gesteins ein. Es muss eine ungeheure Arbeit gewesen sein, denn er hat unzählige Gesteine aufgesägt, Dünnschliffe gemacht und dann die Mineralbestandteile genau gezählt.

Der alpinotype Ultramafitit bezieht sich auf das Feld Nr.16. Ich habe die Unterbegriffe und speziellen Bezeichnungen in meine Tabelle übernommen und zeige anhand von Beispielen die entsprechenden Gesteinsarten. 

 Dunit, Orthopyroxen, Klinopyroxen bilden die Eckpunkten des Diagramms.

Peridotit mit Dunit (links)

Reiner Peridotit aus der Maggia, der im oberen Bereich die Reinheit von Dunit hat

Orthopyroxen und Klinopyroxen (unten)

Der Orthopyroxen schillert bei einer bestimmten Licht-Einstrahlung.

Der Klinopyroxen hat eine grünliche Farbe und schillert  nicht.

(Bild oben) Einerseits ist die grünliche Farbe gut erkennbar. Auch die Umwandlung in die Ockerfarbe (Verwitterung) ist bei den Steinen sichtbar. Bei einer bestimmten Lichteinstrahlung erkennt man in- und aneinander gefügte Körner (mitte und rechts). Sie spiegeln das Licht und lassen dabei die grüne Farbe zurücktreten. Solches Reflektieren ist die Eigenschaft von Orthopyroxen. Wollen wir diesen Stein ins Diagramm einordnen. So haben wir Olivin (grünlich) und Orthopyroxen vereint. Wir befinden uns im Streckeisendiagramm auf die linke Seite im unteren Bereich: Olivin-Orthopyroxen.



Olivin-Klinopyroxen

Hier hat sich Klinopyroxen weiter z.T. in Diopsid und Chromdiopsid umgewandelt, zudem sind Granate hinzugetreten (Der stein ist einzuordnen bei Olivin-Klinopyroxenit).



Serpentinisierung


Durch Erhitzung, erhöhten Druck und Wasserzufuhr im Erdinnern, verwandelt sich der Peridotit  in Serpentinit.

Ich habe hier die Ebene angeschliffen, wo sich Serpentinit gebildet hat.


C4 Das Vorkommen  

Auf der Karte habe ich zwei Orte bezeichnet, wo Ultramafitolit (Peridotit u.a.) gefunden wird. Nordwestlich von Ascona auf etwa 1200 m., wo es ins Tal (in die Melezza) hinunterrutschte und mit allem Geröll auch das Delta der Maggia erreichte. Weiter findet sich dieses Gestein auf Alpe Arami auf 1400 m., nordwestlich von Bellinzona. 

Der Ultramafitolit hat eine spezielle Geschichte, weil dieses Gestein nicht aus einem Vulkan, sondern durch den Zusammenschluss der zwei Erdplatten (Afrika und Europa) aus grösster Tiefe an die Erdoberfläche gelangte. 

Nachdem ich bei Serpentinit (Ozeanbodengestein) schilderte, wie dieses Gestein über 4000 meter hochgedruckt worden ist (Breithorn, Zermatt), müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Ultramafitolit schon auf 1400 meter Höhe lagert und er seinen Ursprung aus noch viel grösseren Tiefen hat! Die Dynamik, die die Gesteinsmassen ausgesetzt waren, wird für das Vorstellungsleben immer komplizierter.


C5 Das Mineral Peridot

Peridotit hängt mit dem Mineral Peridot (Synonyme: Olivin,Chrysolith) zusammen. In reinster Form habe  ich Olivin in Xenolithen in der Auvergne (links) und auf Lanzarote (mitte) gefunden . Diese Xenolithe sind Vulkanite. Ein Geologe in der Auvergne sagte mir: sie stammen aus etwa 80 Kilometer Tiefe. Dieses Gestein gehört zum Erdmantelgestein. Es wurde mit der aufsprühenden Lava-Masse aus dem Vulkan hinausgeworfen (und hat damit eine vertikale Distanz hinter sich, die horizontal gemessen etwa von Zürich nach Basel reicht).

 Rechts. Vergrösserung Peridot (mm-Skala ist oben angegeben)

Ich nehme Bezug auf die Dissertation vom Diplom-Geologen Jens Paquin, Göttingen, 2001.  Seine Details geben Aufschluss über die geologischen Vorgänge und über die Herkunft dieses Gesteins.

Paquin ist die Spurenelementverteilung in den Granat-Peridotiten von Alpe Arami nachgegangen. Dadurch wurde es ihm möglich eine viel genauere geodynamische Entwicklung nachzuzeichnen, als bis anhin möglich war. Dadurch, dass die Kontinente (Afrika und Europa) sich zusammengeschlossen, entstanden Verformungen im Bereich der Erdkruste und wurden Teile des Erdmantels in die Erdkruste hinein- und hinaufgeschoben.                                            Und jetzt achten Sie auf die Wortwahl!                                                                                                Paquin spricht bei seinen Forschungen von einer Rekonstruktion des Alpenbereichs. Er spricht davon, dass sich diese Vorgänge vor ca. 110 Millionen Jahren abgespielt haben. Er zeichnet ein Profil des Weges, den der Peridotit genommen hat, um an die Oberfäche der Erdkruste zu gelangen und nennt diese Zeichnung «ein spekulativer schematischer Schnitt». Schlüsselkriterien wurden die Spurenelemente (wie z.B. Titanoxyd, TiO2 im Olivin), mit der Feststellung, dass der Peridotit dadurch aus einer Tiefe von mehr als 300 km gekommen ist. Alle, uns schon bekannte Bestandteile wie Orthopyroxen, Klinopyroxen sind in diesem Alpe Arami Peridodit vorhanden (die apfelgrüne Farbe stammt vom Klinopyroxen). Die Höchsttemperaturen, die bei der Bildung dieses Gesteins geherrscht haben, sind im Bereich von 1100 bis 1240°C. Paquin macht eine weitere Skizze, die für ihn ein mögliches Szenario gewesen sein kann.                                                                                                                                              Mit dieser Studie kann man populärwissenschaftliches Geschwätz von echten wissenschaftlichen Untersuchungen unterscheiden. Die Jahrmillionen werden geschätzt, sind nicht festgelegt. Die Tiefe aus dem dieses Gestein an die Oberfläche gelangte ist mehr als 300 km. Die Darstellungen sind möglich, bleiben vorerst spekulative Szenarien. Wie oft hörte ich Behauptungen von Laien, die Schätzungen von 80 km oder 120 km als "gesicherte, wissenschaftliche Werte" weitergaben.


C6 Ivreazone

Die letzten Ausführungen sind keine «Bekrönung» des Themas. Ich kann nur Andeutungen machen. Der alpinotype Ultramafitit (Ultramafitolit), von dem ich Bilder zeigte, gehört zur sgn. Ivrea Zone. Die Ivrea Zone kann man sich grob vorstellen, wenn man auf der Landkarte die Orte Locarno – Domodossola – Ivrea miteinander verbindet (Abbildung oben). In diesem langgestreckten Dreieck, von dem nur die nordöstlichste Spitze in die Schweiz hineinrragt, liegt der sgn. Ivrea Körper. Unzählige Geologen und Geophysiker haben diese Region mit allen erdenklichen Messmethoden untersucht. Sie stellten fest, dass diese Zone zunächst vertikal angehoben wurde und dann durch das Aufeinandertreffen des europäischen und afrikanischen Kontinents um ca. 90° gekippt wurde.                                                                                            Dazu nur ein einige Hinweise:                                                                                                               Die geschätzte Tiefe des Ultramafitolits variiert in den Forschungsergebnissen (von 1950 bis heute) von 160 km bis mehr als 300 km. Dies sind keine endgültigen Werte! Die Wissenschaft arbeitet mit Hypothesen und nicht mit Behauptungen.                                                                      ● Die Hebung der Ivrea Zone fand vor ca. 300 Mio Jahren statt. Auch die Millionen Jahre sind immer als mögliche Zeiträume zu verstehen, niemals als Behauptungen.                                      ● Die Kontinente (Europa-Afrika / Insubrische Linie) haben sich vor 65 Mio – 32 Mio Jahren zusammengeschlossen. Das heisst: in einem Zeitraum von ca. 33 Mio Jahre fanden die tektonische «Verschiebung» statt. (Es war nie eine Kollision mit katastrophalen Folgen) Über das Alter dieses Gesteins habe ich unterschiedliche Angaben gefunden.

Alle Daten zu diesen Beschreibungen sind im Verzeichnis aufgeführt.

Der nächste Aufsatz "eine andere Sichtweise" ordnet die Geologie ein in den heutigen Wust von sogenannt wissenschaftliche Gebiete.