A 1. SERPENTINIT UNTERENGADIN

Bitte lesen Sie die Aufsätze in ihrem Zusammenhang

(Alle Fußnoten finden Sie im Verzeichnis)

A 1.1 CLEMGIASCHLUCHT BEI SCUOL, GR

Bitte lesen Sie die Aufsätze alle in ihrem Zusammenhang

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Meine erste Begegnung mit dem Gestein «Serpentinit» hatte ich im Unterengadin. Wir verbrachten unsere Sommerferien 1975 in Vnà und zu unseren Ausflügen gehörte auch die Clemgiaschlucht südlich von Scuol. Die Clemgia bahnt sich hier ihren Weg durch eine fast 200 m hohe Serpentinenformation. In den Jahren 1978 und 1982 besuchten wir diese Sommer-Destination erneut und im Jahr 2006 durchstieg ich die Clemgiaschlucht zum letzten Mal.

Von Vulpera aus betritt man die Schlucht und wird bald von mächtigen Serpentinitwänden eingeschlossen. Der Schluchtweg führt etwas oberhalb der Clemgia durch die Schlucht, mal bergauf, mal bergab.                                                                                                                          Wer die Schlucht durchquert hat, kann auf der Westseite über Avrona zurück nach Vulpera wandern. An einer Stelle blickt man noch einmal tief in die Schlucht und kann aus dieser Entfernung die besondere Färbung der Serpentinitfelsen gut in sich aufnehmen. 

Blick in die Clemgiaschlucht auf dem Rückweg über Avrona


A 1.1.1 Das Gefüge des Serpentinits

Das Gefüge dieses Gesteins ist sehr vielfältig. Der Serpentinit zeigt sich als richtig massive Felspartien, als Geröllhalden, als Formationen, die einmal stark bewegt wurden und später erstarrt sind oder als scheinbar stabförmige Massen (siehe "Ergänzungen").

Fels, Geröll, (rechts) eine pralle, konvexe Fläche drängt sich hier von oben nach unten.

Stark bewegter und in der Bewegung erstarrter Felspartie

 

A 1.1.2 Woher kam der Serpentinit? Hinweise eines Mineralogen  

Auf meine Anfrage nach der Entstehung dieses Gesteins bekam ich von einem Mineralogen die folgenden Hinweise:

«Zur Entstehung des Serpentinits in den Alpen: Im Bereich der Alpen lag vor rund 40 Mio. Jahre ein Ozean (Piemont-Ozean), der sich durch Subduktion schloss. Bei der Kollision von Italien(Adria-Platte) mit Europa wurde Späne des Erdmantels mit in die Kruste eingeschuppt . Diese bestehen aus Peridotit. Der Hauptbestandteil Olivin verwittert zu Serpentin

Und zu dem Bild «Stark bewegter und in der Bewegung erstarrter Felspartie » schrieb er mir:

„Diese Faltung hat immerhin ausgereicht, Meeresbodensedimente bis auf die Gipfel der Alpenriesen zu heben . Habe Manganquarzit in Praborna in über 1000 m Höhe gefunden (mit Piemontit gefunden und violettem Diopsid). War mal Meeresboden. Und die Granate (Fußbälle!!) vom Dora Maira wurden aus über 120 km Tiefe hochgepresst


A 1.1.3 Geologische Vorgänge

Heute habe ich genügend Fachliteratur gelesen um die Begriffe einzuordnen. Damals war ich überfordert. Denn mit Begriffen verknüpfen sich spontane Vorstellungen und man frägt sich: Was hat sich hier wirklich abgespielt? Führte die Kollision der zwei Erdplatten zur Auffaltung der Alpen, wurde Ozeanbodengestein als Späne in die Alpen hineingeschoppt und dann bis auf den Bergesgipfeln hoch gehoben? Das muss eine Naturkatastrophe apokalyptischen Ausmasses gewesen sein!

Es gibt noch krassere Formulierungen. Statt einer Kollision spricht man auch von einem  "Aufeinanderprallen oder Zusammenstoßen der Erdplatten “ und alles geschah vor 40 Millionen Jahren .

Eine entscheidende Richtigstellung findet sich im Buch „Die Geologie der Schweiz“ von Toni Labhart²). Als er über die Alpenfaltung schreibt, gibt er dieses Kapitel die Überschrift: „ Die Gebirgsbildung – keine Katastrophe “. Er erklärt, dass man sich oft falsche Vorstellungen über die Dauer und die Geschwindigkeit der Faltung macht. Die Alpenfaltung war nie ein plötzliches, katastrophales Ereignis. Sie hat 100 Millionen Jahre gedauert! Die Bewegungs-Geschwindigkeiten entsprachen denen, die wir auch heute messen.

Allzu oft werden in der Geologie Begriffe verwendet, die die Vorgänge in der Erdkruste völlig verzerrt darstellen. Eine „ Kollision “, ein „ Zusammenstoßen “ oder „ Aufeinanderprallen “, ein „ Hereinschoppen “ hat es nie gegeben. Erst wenn man diese Vorgänge im Zeitraffer zusammenzieht, kommt man zu Vorstellungen, die aus den Tatsachen allenfalls einen unterhaltsamen Actionfilm machen, aber mit der Wirklichkeit hat das nichts mehr zu tun.

Toni Labhart hat sein Buch 1982 veröffentlicht, seitdem sind unzählige Schriften erschienen, das Internet ist voller Desinformationen über das, was wirklich geschehen ist.

► Auf die Zeitangaben und die Alpenfaltung komme ich zurück im Aufsatz "Insubrische Linie"


A 1.3 Entstehung des Serpentinits (Genese)

Viele geologische Schriften stimmen darin überein, dass der Ozean, der früher zwischen dem afrikanischen und dem europäischen Kontinent lag, vulkanisch aktiv war. Dadurch gelangten Peridotite (Erdmantelgesteine) an die Erdoberfläche und als diese Ozeanbodengesteine ​​in die Alpen geschoben wurden, wurden sie von einer immensen Gesteinsmasse überdeckt. Die Steine ​​lagerten in einer großen Tiefe (viel mehr als 8 km tief), wo Temperaturen von 300° bis 500°C herrschten. Diese Temperaturen, der Druck der Erdmasse und die Zufuhr von Wasser schufen die Bildungsbedingungen für die Entstehung der Serpentinite.

 Nur so ist zu verstehen, dass das Gefüge des Serpentinits auch als erstarrt-bewegt erscheinen kann. 

► Für das Gestein und seine Bestandteile siehe Serpentinit.


A 1.4 Die Alp Motta Naluns, Scuol, GR

Als ich die Clemgiaschlucht durchwandert hatte, fuhren wir eines Tages mit der Seilbahn auf die Alp Motta Naluns, die nördlich  von Scuol liegt. Von hier stiegen wir weiter hinauf und ich staunte, als ich im Geröll der Hänge wieder Serpentinit fand.  Zunächst waren die Steine ​​sehr abwechslungsreich, denn der Inn-Gletscher hat hier in der Eiszeit Moränen hinterlassen und verschiedenste Gesteine ​​aus dem  Oberengadin abgelegt. Je höher ich aber aufstieg, umso vorherrschender wurde der Serpentinit und als ich zuletzt oben angelangt war und zu den Hängen hinaufschauen konnte, wurde mir klar: Diese Berge dort oben sind sogar zum größten Teil auch aus Serpentinit. Der Serpentinit ist hier bis 3000 Höhenmeter vorhanden.

Was hat es mit dem Serpentinit auf sich?  Wie kommt er hierher?




Übersichtskarte Scuol und Umgebung von Swisstopo

Südlich von Scuol ist bei Vulpera der Einstieg in die Clemgiaschlucht.

Nördlich von Scuol liegt der Alp Motta Naluns

Auf dem Bild unten der Blick von Motta Naluns in südlicher Richtung

Beim Aufstieg von Motta Naluns liegen überall Serpentinite herum.

Oben wird klar, dass die Berge (zum großen Teil) aus Serpentinit bestehen. Einen ähnlich farblichen Eindruck sahen wir bereits, als wir von Avrona in die Clemgiaschlucht hinunterschauten. Der Geoviewer von Swisstopo¹) gibt hierzu genauere Auskunft (im Verzeichnis habe ich die Bedienung des Viewers kurz beschrieben).


Fortsetzung Serpentinit: Siehe A 2 Serpentinit Gornergrat